Über Zeit, moderne Helfer und unser Miteinander

Am Montag traf ich einen guten Freund an der Straßenecke und, nachdem wir uns lange nicht mehr gesehen hatten und wir beide unter Zeitdruck standen, verblieben wir so: „Meine neue Assistentin Amy wird sich bei Dir melden, dann machen wir uns ein Lunch-Date aus.“ Gesagt, getan. Amy meldete sich brav am selben Nachmittag bei mir per Mail mit ein paar Terminvorschlägen. Als Dreifach-Mutter ist meine Zeit strikt durchgetaktet und ich machte Amy ein paar Gegenvorschläge. Auf diese wurde nicht eingegangen und somit wurde ein paar Mal hin und her gemailt. Um es kurz zu machen: Amy ist eine dumme Nuss und in überhaupt keiner Weise hilfreich! Das sagte ich am Abend auch meinem Mann und das unser Freund sich lieber eine neue Assistentin suchen sollte, denn Amy sei geschäftsschädigend!

 

Mein Mann, der immer glücklich ist, wenn er mir die Welt verständlicher machen kann, klärte mich auf: “Du weißt aber schon das AMY keine Person ist, sondern ein Computersystem?“ Äh, nein, wie, was? Das wusste ich natürlich nicht, aber nun ergab mein Mailverkehr mit der Guten viel mehr Sinn.

Als wäre das digitale Zeitalter noch nicht weit genug vorangeschritten, kommt jetzt nach Siri und Alexa auch noch Amy; -großartig. Ich verstehe langsam die Männer, die sich durch die Emanzipation an den Rand gedrängt fühlen. Durch all diese weiblichen Super-Helfer werden wir Frauen peu à peu verdrängt: Alexa erledigt den Einkauf, Amy koordiniert die Termine und Siri gibt meinem Schatz den virtuellen Nachtkuss. Dabei sind die Damen stehts freundlich, höfflich, allzeit bereit und nie gestresst.

 

Kein Scherz, eine Freundin hat Siri aus dem Schlafzimmer verbannt: Ihr Mann kommt ins Bett und raunt Ihr ein kurzes „ Gute Nacht“ rüber und wendet sich dann säuselnd an sein iPhone: „Gute Nacht Siri!“. Antwort aus dem Handy: „Gute Nacht M., schlaf schön. Ich habe Deine Lieblingsmelodie eingestellt und werde Dich morgen sanft um 7 Uhr wecken.“ M. zu Siri: „Ach, Du bist die Beste!“.

 

Ja, aber machen denn diese virtuellen Helferchen die Welt um so Vieles besser und unseren Alltag um so Vieles leichter? Was machen wir mit der gewonnenen Zeit? Etwas Sinnvolles? Ich bezweifle es. Ich jedenfalls habe das Lunch-Date mit dem Freund persönlich und ganz „altmodisch“ per Telefon vereinbart.

 

Dauernd versuchen wir den Kindern zu erzählen wie schlecht das Fernsehen ist und wie schädlich der ständige Handy-Check. Aber sind wir Erwachsenen so viel besser? Ich jedenfalls erlaube meinen Kinder keine Handys (sie sind aber auch noch recht klein) und iPads sind sowieso tabu, erwische mich aber selbst jede freie Minute auf mein iPhone glotzend. Ich bin nun wirklich kein moralisches Vorbild und werde versuchen einmal wieder ganz bewusst den Kontakt zu allem Digitalen zu reduzieren.

 

Heute Abend wird also keine Serie „gestreamt“… – ich werde mal wieder eine CD einlegen und den wohligen Klängen irgendeiner Oper lauschen. Vielleicht kommt mein Mann heute etwas früher aus dem Büro, wir genießen ein gemeinsames Abendessen und unterhalten uns. Die Handys werden in die Schublade verbannt und wir genießen einen erholsamen Abend, Digital Detox so zu sagen! Was für ein schöner und altertümlicher Gedanke.

(Besuche: 123, davon heute 1)